In einem Film des Künstlers Woody Allen mitspielen, heißt mittlerweile, vom Schatten der Privatperson Woody Allen verschluckt zu werden. Beim Jahrgang 2016 wurde die Publicity-Lawine schon vor dem Festival losgetreten, als Allen dem Hollywood Reporter ein Interview gab, in dem die Missbrauchsvorwürfe seiner früheren Adoptivtochter Dylan Farrow zur Sprache kamen. Am nominellen Café Society-Tag nun konnten in der Schlange wartende Journalisten in der täglich neuen Print-Ausgabe des Magazins eine Replik von Ronan Farrow lesen und am Nachmittag zog das Konkurrenzblatt Variety mit dem nächsten Allen-Interview nach. Im Wettrüsten um Exklusivinterviews und Gastkolumnen haben die Darsteller von Café Society nun das Nachsehen. Und was für ein Ensemble für die zwischen New York City und Los Angeles pendelnde Handlung aufgefahren wurde:Anna Camp, gewiefte Szenendiebin der 2. Staffel von Unbreakable Kimmy Schmidt, zeigt in einem exquisiten Kurzauftritt als Anfänger-Prostituierte, warum sie in ein oder zwei Jahren in jeder Komödie die Hauptrolle spielen wird (hoffentlich?). Ken Stott und Jeannie Berlin geben Bobbys Eltern mit großstädtisch-knautschigem Charme jüdischen Milieus. Corey Stoll als Bobbys Gangsterbruder Ben kommt viel zu kurz, als hätte Allen einen Spin-off vorbereitet und sich nach halber Spielzeit dagegen entschieden. Eine blondierte Parker Posey spielt Modelagentin Rad und jeder, der Parker Posey mal in einer Nebenrolle gesehen hat (Exempel: Irrational Man), der kommt nicht umhin, "rad" als Anerkennung ihres Wirkens zu akzeptieren.
Schließlich noch der kurzfristig für Bruce Willis eingesprungene Steve Carell als Bobbys Onkel, Hollywood-Agent und nichtsahnende Nemesis im Liebesdreieck. Über die tolle Besetzung von Café Society zu schwärmen, verführt zwangsläufig zum Namedropping. So wie es die Filmmenschen bei den Poolpartys in den 30ern zelebrieren, während sie die Sonnen, in deren Schein sie sich wärmen - Ginger, Barbara, Joel und wie sie alle heißen - nie zu Gesicht bekommen. Als Bobby in Los Angeles bei seinem Onkel um einen Job bittet und Vonnie das Büro betritt, scheint sich ein Doppelstern gefunden zu haben. Von Vittorio Storaros Kamera im spätabendlichen Glanz eingefangen, entfaltet sich ihre Beziehung mit einer Selbstverständlichkeit, die bei der Kombo Stewart-Eisenberg seit Adventurelanddurchaus als Markenzeichen katalogisiert werden kann. Linkisch sind sie beide, ebenso ist ihnen eine Zerstreutheit zu eigen, die sich bei Eisenberg in Neurosen äußert und bei Stewarts Figuren zum Tagträumerischen tendiert. In ihrer Dynamik neutralisieren sie sich, anstatt wie andere Leinwand-Duos durch ihre Gegensätze Funken zu schlagen. Wenn Kristen Stewart und Jesse Eisenberg inAmerican Ultra als Paar eingeführt werden, dann könnte im Drehbuch ebenso stehen, die Erde sei rund und der Himmel eben blau (außer im verregneten Cannes natürlich). Die Geschichte ihrer Beziehung braucht in Nima Nourizadehs Actionfilm schon eine Verschwörung auf höchster Ebene, um in Zweifel gezogen zu werden.
Bobby und Vonnie sind nun alles, außer Fertignudel schlürfende Slacker in der amerikanischen Pampa. Los Angeles hat sie und ihren Ehrgeiz wie viele andere magisch angezogen. Man könnte Storaros Bilder vom Goldenen Zeitalter Hollywoods farbenprächtig und schön nennen, sofern man über die grelle Schärfe von Woody Allens erstem digital gedrehten Spielfilm hinwegsehen kann. Das Gestellte des historisch angesiedelten Geschehens drängt sich jedoch immer dann irritierend in den Bildausschnitt, wenn dieser nicht von Kristen Stewart oder Jesse Eisenberg beherbergt wird. Dann fühlt sich Café Society an, als würde man durch die beste Party der Welt hetzen und von jeder grandiosen Anekdote nur Anfang, Mitte oder Schluss hören. Zwischen den jüdischen Gangstern und Intellektuellen, Studiobossen und angehenden Starlets, dem gesammelten Karikaturenschatz der West- und Ostküste stehen mit Bobby und Vonnie zwei, die vorgeben, besser zu sein, ohne es besser zu können. Typische Woody Allen-Helden, die sie sind, liegt den zwei Millennials in den 30er Jahren die Zufriedenheit förmlich vor den Füßen. Ihr gemeinsames Glück kündigt sich in der wehmütigen Weiterentwicklung des Leinwandpaares Kristen Stewart und Jesse Eisenberg als das Natürlichste auf der Welt an. Doch anstatt um einander kreisen Vonnie und Bobby nur um sich selbst.
Danke, moviepilot für diesen tollen Artikel <3 Wir wünschen uns auch noch unendliche viele Filme mit Jesse & Kristen #dreamteam