Samstag, 8. Oktober 2016

Schöne Berichterstattung auf dem Filmfest Hamburg

Ergänzend zum vorherigen Post gibt's hier nun noch 2 schöne Berichterstattungen von der Film-Fachzeitschrift Blickpunkt: Film. Sowohl Personal Shopper, als auch Certain Women wurden sehr positiv besprochen und Kristen wie so häufig sehr gelobt <3

PERSONAL SHOPPER: TAG 4 - GEISTER DER VERGANGENHEIT
Dagegen ist "Personal Shopper" fast schon leicht verdauliche Kost, wobei dieses Urteil nur im direkten Vergleich der beiden Filme so ausfallen kann. Denn simple gestrickt ist Olivier Assayas jüngster Film beileibe nicht. Der Filmemacher ("Die wilde Zeit", "Carlos- Der Schakal") verbindet das Thema Trauerbewältigung mit einer Haunted House Story. Dabei funktioniert "Personal Shopper" auf beiden Ebenen und überzeugt sowohl als Drama, als auch als Gruselfilm. Zu verdanken ist das neben der atmosphärischen und genauen Inszenierung auch der Leistung von Hauptdarstellerin Kristen Stewart, die sich inzwischen als ernstzunehmende Charaktermimin etabliert hat und auf demFilmfest Hamburg heute Abend noch in Kelly Reichardts "Certain Women" zu erleben ist.

CERTAIN WOMEN: TAG 5 - STARKE FIGUREN
(..) Wie der Titel ihres aktuellen Werks "Certain Women" nahelegt, konzentriert sich Reichardt auf den weiblichen Blick auf die Welt, ist zutiefst feministisch, aber ohne dabei auf Plattitüden zu setzen. In drei Geschichten, die nur extrem lose miteinander verbunden sind, zeichnet sie das Porträt von drei ganz unterschiedlichen Frauen, die auf ihre eigene Weise stark und unabhängig ihr Leben angehen.

In Livingston/Montana arbeitet die Rechtsanwältin Laura. Die Arbeit mit einem Klienten ist dabei besonders zeitraubend, will dieser seine aus juristischer Sicht ausweglose Situation schlicht nicht wahrhaben. Erst der Rat eines befreundeten Anwalts überzeugt den Mann. Was Laura mit der Erkenntnis kommentiert, wie gerne sie einmal ein Mann wäre, nur damit ihr gleich von Anfang an Glauben geschenkt werden würde.

Die zweite Geschichte stellt die ehrgeizige Mutter und Ehefrau Gina vor, die zusammen mit ihrem Ehemann ein Haus in der Wildnis baut. Dabei möchte sie so authentisch wie möglich sein, weswegen sie es auch auf einen Haufen von aus der Region stammenden Sandsteinen, der seit Jahrzehnten im Garten eines ansässigen alten Mannes liegt, abgesehen hat. Sie möchte ihm diese unbedingt abkaufen, was ihr Mann aber eher skeptisch sieht. Nicht nur diese Unstimmigkeit, auch Erziehungsfragen ihre Tochter betreffend, stellen ihre Ehe auf die Probe.

Derweil betreibt in der letzten Geschichte Jamie eine eigene Pferde-Ranch. Die junge Frau hat so gut wie keine sozialen Kontakte und kommt nur ab und zu ins Dorf. Dort lernt sie die Anwältin Beth kennen, die mehrfach die Woche den langen Weg aus Livingston auf sich nimmt, um die Schullehrer auf dem Land über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Jamie fühlt sich zu Beth hingezogen und versucht sie näher kennenzulernen.

Gespielt wird die Anwältin Beth von der großartigen Kristen Stewart. Auch die anderen Rollen sind durch die Bank hervorragend besetzt. So spielt Laura Derndie Anwältin Laura und Michelle Williams, die schon in Reichardt "Meek's Cutoff" zu sehen war, mimt Gina. Doch auch die männlichen Rollen glänzen mit tollen Schauspielern, allen voran Jared Harris als nerviger Klient Fuller.

Das Verhältnis der beiden Geschlechter spielt in "Certain Women" sicherlich eine Rolle, im Großen und Ganzen geht es Reichardt aber gar nicht um das Gegenüberstellen oder das Ausspielen von Mann und Frau. Sie zeigt schlicht Menschen, die ihren Platz als Frau in der Welt suchen. Auch bei den Auseinandersetzungen zwischen Gina und ihrem Mann in der zweiten Geschichte geht es weniger um einen Kampf der Geschlechter, als um das Ausbalancieren unterschiedlicher Ansichten und Meinungen innerhalb einer Beziehung. Und hier liegt eine der Stärken von Reichardt. Sie stellt niemanden bloß, Banalitäten und Klischees sind ihr völlig fremd. Makellos sind ihre Heldinnen sicherlich auch nicht. Unaufgeregt doch punktgenau ist Reichardts Inszenierung, wobei sie auch vor magisch-schönen Momenten nicht zurückschreckt, vor allem in der dritten Geschichte. Etwa als Jamie im Morgenlicht den Hof bestellt oder sie abends Beth mit einem Pferd von der Schule abholt, und die beiden Frauen gemeinsam über die dunkle, nur von den Straßenlaternen erleuchtete Dorfstraße reiten. Das Leben der vorgestellten Frauen ist bestimmt kein Zuckerschlecken, freudlos ist es aber nicht.

Und mit dieser, allen Lesern wärmsten ans Herz gelegten Indie-Perle, endet auch das diesjährige Blickpunkt:Film-Tagebuch über das Filmfest Hamburg.