Mittwoch, 11. Mai 2016

"Kristen [...] glänzt als emanzipierte, charmante junge Frau [...]"

Filmstarts hat schon eine erste Kritik zu Café Society online und bewertet den Film mit 3,5 von 5 Sternen.


Wer hätte das gedacht: Das New Yorker Urgestein Woody Allein dreht mit 80 Jahren noch einen Film über das von ihm verachtete Hollywood. Doch wer denkt, der vierfache Oscarpreisträger bandle mit der verruchten Traumfabrik an, irrt natürlich. Der glamouröse Schauplatz in den späten 30er Jahren dient nur als Einstieg in eine kuriose Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen Kristen Stewart, Jesse Eisenberg und Steve Carell: Sarkastisch-ironische Dialoge, ein eleganter Jazzscore, Herzschmerz und amouröse Verwicklungen in edlem Setdesign – auch bei der romantischen Tragikomödie „Café Society“ ist Woody Allen wieder einmal ganz in seinem Element. Und noch nie hat der vierfache Oscargewinner, der bei seinem 47. Kinofilm zum ersten Mal auf digitalem Material drehte, schönere Bilder auf die Leinwand gebracht als in diesem Eröffnungsfilm der 69. Filmfestspiele von Cannes 2016.
Der junge und naive New Yorker Bobby (Jesse Eisenberg) aus der Bronx versucht Ende der 1930er Jahre sein Glück in der Filmmetropole Los Angeles. Erste Anlaufstelle für einen Job ist sein Onkel Phil (Steve Carell), ein einflussreicher Agent der Filmstars, der es zu Reichtum und einem imposanten Anwesen gebracht hat. Wegen chronischer Zeitnot beauftragt Phil seine hübsche Sekretärin Vonnie (Kristen Stewart), seinem Neffen die Stadt zu zeigen. Bobby verliebt sich sofort unsterblich in die charmant-selbstbewusste Vonnie, aber die schwärmt für den seit 25 Jahren verheirateten Phil - was sich allerdings nicht sofort offenbart. Doch dann spitzt sich die Situation zu und Vonnie muss sich für einen der beiden Männer entscheiden. Daheim in New York weiß Bobbys Familie nichts von den herzzerreißenden Episoden im fernen Kalifornien, hier dreht sich fast alles um Bobbys Mafia-Gangster-Bruder und Nachtclubbesitzer Ben (Corey Stoll), der auch vor Mord nicht zurückschreckt.

Der legendäre Filmemacher Woody Allen („Der Stadtneurotiker“) ist nicht gerade für seine Experimentierfreude bekannt. Wenn er von einem Film zum anderen Kurskorrekturen vornimmt, fallen diese in der Regel sehr dezent aus, selbst als er Mitte der 2000er Jahre seinem geliebten New York vorübergehend den Rücken kehrte, blieb er seinen typischen Themen und seinem Stil treu. Und doch fand Allen in Europa neue Inspiration - dort drehte er zum Beispiel das bitterböse Meisterwerk „Match Point“ (2005) sowie die Oscar-Erfolge „Vicki Cristina Barcelona“ (2008) und „Midnight In Paris“ (2011). Für „Café Society“ blieb er nun zwar in den USA, verließ Manhattan aber erneut für große Teile des Films. Und er engagierte mit Vittorio Storaro („Apocalypse Now“, „Der letzte Kaiser“) einen wahren Kamera-Magier, der sich vom Licht Kaliforniens zu betörenden Kompositionen inspirieren ließ. Mit seinen gestochen scharfen Pastell-Bildern gibt der Italiener dem L.A.-Teil von „Café Society“ einen zauberhaften Look, der bestens zur für den Regisseur typischen Erzählung voller Dialogwitz und ironischer Volten passt.

Nach rund der Hälfte der Spielzeit verlagert Woody Allen den Schauplatz von Los Angeles ins aufstrebende New Yorker Nachtclub-Milieu, wo seine Hauptfigur Bobby neu durchstartet. Der Film bekommt durch den Ortswechsel einen vorübergehenden Bruch, die Figurenkonstellation wird im Big Apple neu durchmischt und mit der Einführung von Blake Livelys („The Town“) Veronica verwandelt sich die Dreiecksgeschichte in ein Liebesquartett. Bei dem romantischen Reigen sprühen zwar nicht immer die Funken, aber der Dialogwitz ist scharf und sarkastisch wie von Allen gewohnt, insbesondere die selbstironisch-neurotischen Kommentare zum Status des Judentums in der Gesellschaft treffen immer wieder ins Schwarze. Außerdem gibt er dem Publikum immer einen kleinen Wissensvorsprung gegenüber den Figuren, die er virtuos in witzige Verwicklungen stürzt. Die Quintessenz des Ganzen bringt Allen in einer prägnanten Dialogzeile auf den Punkt, wenn er seinen Protagonisten Bonny gegen Ende des Films sagen lässt: „Life is a comedy written by a sadistic comedy writer”. Und dass die so gut funktioniert, hat der Regisseur auch der Spiellaune seiner Stars zu verdanken.

Kristen Stewart („Die Wolken von Sils Maria“) bemüht sich weiterhin aktiv, ihr „Twilight“-Image hinter sich zu lassen und glänzt als emanzipierte und charmante junge Frau, die sich nicht von dem Glamour in Hollywood beeindrucken lassen will. Jesse Eisenberg („The Social Network“, „Batman V Superman“) wiederum übernimmt hier einen Part, den Woody Allen früher wohl selbst gespielt hätte – einen naiven, aber unterschwellig arroganten Träumer mit großen Ambitionen. Komiker Steve Carell („Foxcatcher“, „The Big Short“) hat seinerseits die saftigste Rolle und chargiert als gelackter Westküstenzampano mit Inbrunst drauflos. Im Stakkato feuert er seine zackigen Dialogzeilen ab und persifliert genüsslich den Typus des klassischen Hollywood-Moguls aus der goldenen Ära der Traumfabrik. Sein Phil setzt für die Liebe alles aufs Spiel – mehr als 25 Jahre Altersunterschied waren bei Allen ja noch nie ein Problem. Für weitere heitere Momente sorgen daneben auch die schillernden Nebendarsteller, von denen Corey Stoll („Ant-Man“) als verschmitzt-brutaler Gangster und Parker Posey („Irrational Man“) als hilfreiche Lebensberaterin Bobbys herausstechen.

Fazit: Woody Allens betörend fotografierte Liebes-Tragikomödie „Café Society“ glänzt mit starken Dialogen, süffisanter Ironie und guten Schauspielern.